Wie wir künftig wohnen könnten

Städteplaner stellt Konzept der „Soft City“ vor
Von: Charlotte Borst.

Dichte und Vielfalt ergeben Nähe: Diese Grafik aus dem Buch „Soft City“ von David Sim zeigt, wie Gebäude, die in Schichten gestaltet sind und nicht weit auseinanderstehen, dafür sorgen, dass die Bewohner in wenigen Sekunden oder Minuten ihre Nachbarn, den ÖPNV, den Laden oder das benachbarte Gebäude erreichen. © Grafik: SOFT CITY, David Sim

Landkreis – Siedlungen prägen auf Jahrzehnte das Bild von Kommunen. Doch in vielen Neubaugebieten fragt man sich, wie gut die Stadtplanung wirklich ist: Wohnblöcke, so uniform wie Schuhschachteln, aufgereiht an Straßen. Investoren, die auf ihrem Abschnitt den Gewinn maximieren. Was ins Hintertreffen gerät, sind die Bedürfnisse der Bewohner und die Gesamtsicht auf das Quartier.

Wie wollen wir in Zukunft wohnen? Bekommen Städte wieder ein menschliches Maß? Die Antwort von Stadtplaner David Sim ist die „Soft City“. Die „weiche Stadt“ wird niedriger, langsamer, einfacher und kleiner sein. „Wir müssen uns die alten Städte ansehen“, ist die Botschaft des dynamischen Dänen. Autor David Sim war lange Partner von „Gehl architects“, die als Stadtplaner die wohl entspannteste Hauptstadt Europas geprägt haben: Kopenhagen, wo Radler und Fußgänger den Straßenraum zurückerobert haben, und ein Parkplatz teurer ist als ein Bahnticket vom Stadtrand ins Zentrum.

David Sim geht von den Bewohnern aus © Gerald Förtsch

„Wie werden wir in Zukunft leben?“

David Sim, der derzeit in Neumarkt/Oberpfalz an einem Stadtentwicklungsprojekt mit Bürgerbeteiligung mitarbeitet, eröffnete auf dem Business Campus Unterschleißheim eine Veranstaltungsreihe von DV Immobilien. Die Investoren wollen mit Architekten und Kommunalpolitikern die Frage diskutieren: „Zuhause in der Stadt – wie werden wir in Zukunft leben?“

David Sim geht von den Menschen aus und verknüpft Nutzungsbeziehungen: „In der Stadt der Zukunft, wird man vieles im eigenen Viertel erledigen können.“ Sims Formel: Verdichtung und Vielfalt ergeben Nähe. Kurze Wege ins Freie, zum Einkaufen, zur Arbeit. Eine bunte Mischung der Fassaden statt eintöniger Riegelbauten, verschiedene Grundrisse in den Etagen statt uniform gestapelter Geschosse, große grüne Innenhöfe, Geschäfte, Cafés und einladende Plätze.

Soziale Nähe ein starkes Bedürfnis der Bewohner

Sim empfiehlt für Wohnquartiere einen Mix aus Eigentumswohnungen, Genossenschaften, Sozialwohnungen und Baugemeinschaften. „Banale Dinge, die aber funktionieren.“ Die gute Mixtur gelte es im Blick zu behalten, damit eine lebendige Nachbarschaft entsteht. Soziale Nähe sei ein starkes Bedürfnis der Bewohner, das habe die Pandemie gezeigt, die „auch eine Pandemie der Einsamkeit“ sei.

In der Podiumsdiskussion zog Professor Wolfgang Christ, ehemaliger Professor für Städtebau an der Bauhaus Universität Weimar, sein Fazit: „Wir haben alle Instrumente für eine positive Entwicklung in der Hand.“ Die Herausforderung sei: „Wir müssen vernetzt denken.“ Vernetzung sei „das Ein und Alles“. Moderator Hermann Sottong wirft ein: „Wir wissen, was wir gut finden. Warum ist es so schwer umzusetzen?“ Christ verweist auf den Regionalpark Rhein-Main: „Oft scheitern Projekte an Einzelinteressen von Eigentümern und Wirtschaftsbetrieben.“ Manchmal fehle vor allem der Mut, ein Konzept konsequent zu realisieren, „wenn Planer und Kommunen wenig bereit sind, ins Risiko zu gehen.“ Sein Appell: „Das Abschieben von Verantwortung beenden.“

Interessierte Zuhörer: Im Publikum saßen viele Stadträte aus Unterschleißheim.© Gerald Förtsch

Die alte europäische Stadt wiederzuentdecken, heißt für Christ, auf Parzellierung setzen, das Handwerk in die Stadt zurückholen und das Einkauf-Monopol in den Fußgängerzonen aufbrechen. „Es fehlen interessante Räume, wie Kulturzentren und Restaurants, die einen abends in die Stadt locken.“

Gastgeber Christian Bretthauer, Geschäftsführer von DV Immobilien, verfügt als Investor über viel Branchenkenntnis und plant derzeit das neue Wohnviertel „Gartenquartier“ in Unterschleißheim. Er bezweifelt, dass Stadtplanung „ganz automatisch“ nachhaltiger, sozialer und vernetzter wird: „Projektanten verkaufen den Grund an denjenigen, der am meisten bietet.“ Auch Investoren entschieden gewinnorientiert. „Es gibt keinen der die Verantwortung für das Ganze übernimmt.“ Bretthauer kritisiert einen gleichgültigen Umgang mit Gebäuden, sobald diese abgeschrieben seien. „Es ändert sich nur etwas, wenn Kommunen die Bürgschaft hinterlegen, dass die Unternehmen die Gebäude langfristig nutzen.“

Ein gutes Stadtviertel zu bauen, sei nicht so schwer, ermuntert David Sim die Zuhörer, darunter zahlreiche Kommunalpolitiker: „Es gibt die Best-Practice-Beispiele. Vielleicht sollten wir mehr kommunizieren und voneinander lernen.“

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